Guttenberg als Wiedergänger oder: Enoch is enoch!
Guttenberg is gone und allenthalben erschallen ungläubige Stimmen, dass es DAS doch nicht gewesen sein kann. Die Union inklusive Frau Merkel hätte am liebsten bereits am Tage seines Rücktritts sein Comeback für die nächste Kalenderwoche verkündet. Sie sagte “so viel Scheinheiligkeit und Verlogenheit, wie jetzt in der Debatte um Karl Theodor zu Guttenberg war selten in Deutschland”. Ja, die Welt ist schlecht, damit hat sie Recht, auch wenn sie, die Exwissenschaftlerin, damit eigentlich die 50 000 Doktorandinen und über 1000 Hochschulprofessorinnen meint, die den Betrug ihres Ministers nicht ad acta legen wollten. Focus ließ rasch 500 repräsentative Bürger befragen und angeblich wünschen sich 71 Prozent der Deutschen sein Comeback. Das ist insofern überraschend, als nach einer anderen Umfrage 60% der Bürger seinen Rücktritt begrüßten, aber “die Deutschen” waren ja schon immer ein wenig zerrissen in ihren Gefühlen. Horst Seehofer grämte sich derweilen: Guttenberg gehöre “fraglos zu den genialsten Köpfen, die wir jemals hatten”, was dann doch eine für die CSU beschämende Einschätzung ist.
Egal, aus Koalitionskreisen und der BILD hört man: “Karl-Theodor, der Kampf geht weiter!” hinter Mikrofonen und geballten Fäusten hervorbrechen. Aber auch auf der Gegenseite sehen das bildungsbürgerliche Feuilleton und die versprengten Vertreter der avancierten Linken mit einer gewissen Routine im Pessimismus den erzwungenen Ausstieg des Barons als etwas vorübergehendes, eigentlich nebensächliches. Denn Guttenberg als Gestalt ist Fanal der zwangsläufigen Berlusconiesierung der postdemokratischen Politik, so unisoso der treffliche Medienanalytiker Georg Seeßlen (ge. 1948) im Freitag und der Politologe Thomas Meyer (geb.1943) in der Frankfurter Rundschau. Wie das Böse im klassischen Horrorfilm ist Guttenberg nur kurz politisch tot, um uns alsbald um so heimtückischer heimzusuchen. Ganz so, als wäre Guttenberg noch im Amt, resümiert Meyer: ”Gegen den Bilderglanz der maßgeschneiderten symbolischen Inszenierung hatten Wirklichkeit und Anstand keine Chance” und Georg Seeßlen schließt Augurenhaft: “Fest zu stehen scheint: Die Geschichte der zweiten deutschen Republik, ihrer Institutionen, Werte und ihres, nun ja, Geistes geht zu Ende. Guttenberg wird wiederkommen.” Mag sein. Fest steht HEUTE allerdings nur, dass es den gänzlich unpessimistischen, aber ebenso akribischen wie einfallsreichen Netz-Initiativen des akademischen Fußvolkes von Causa Gutenberg und Guttenplag gelungen ist, “Gutti heim zu Mutti” zu schicken trotz erbittertem Widerstand von BILD, der gesamten Regierungskoalition und hundertausenden Jubelpersern auf Facebook. Die Berlusconisierung der Politik ist hierzulande voll im Gange, das weiss jedes Kind bis hin zum SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der Gutti mit Berlusconi verglich, aber sie ist, wie sich hier gezeigt hat, kein sich irgendwie automatisch vollziehender Prozess, sondern das Ergebnis von Diskurs-Kämpfen. Es sind deshalb nicht nur die Spielregeln des Berlusconismus genauer zu untersuchen, wie Meyer fordert und in seinem Artikel brilliant vorexerziert, sondern auch die Möglichkeiten, sie auzuhebeln. Diese gibt es Die Guttenbergsolidemos zur Wiederauferstehung am letzten Wochenende gerieten jedenfalls eher zur Parodie ihrer selbst. Fast 600 000 Facebookfans weiß der Graf angeblich hinter sich. Es erschienen in den Metropolen Deutschlands trotz obligatorischer BILDzeitungsunterstützung jeweils nur wenige hunderte, um ihn auferstehen zu lassen, was den in Netzkreisen aufgekommen Verdacht weiter nährt, dass bei den Facebookfanseiten von Guttenberg ebenso manipuliert wurde wie in seiner Doktorarbeit. (siehe die unnatürlichen Steigerungsraten der Seite, die Informatiker und Blogger Max Duckwitz nachweist oder die durch den Medienstrategen Peter Berger gesammelten Indizien für ein Fake) Allerdings hat der Internet-Guru für alle Fälle, Sascha Lobo höchstpersönlich der Seite inzwischen die Absolution erteilt. Die besten Slogans auf den spärlich besuchten ProGuttenbergdemos ließen sich die deutlich vertretenen Antiguttenbergianer einfallen: “Wir sind Dein Volk!” “Monarchie Jetzt!” oder “Du hast die Haare schön!” Die einzig nennenswerte ProGuttenbergdemo fand in Guttenberg selbst statt : 2500 Teilnehmer, dirigiert vom Papa, dem Dirigenten Enoch zu Guttenberg sangen: “Wess´ Brot ich ess, dess Lied ich sing” oder so ähnlich. Aber gegen die bundesweiten ProGuttenbergDemos wirken ja selbst die uns bald wieder bevorstehenden Ostermärsche wie eine gewaltige Eruption des volontee general.
So weit zum aktuellen Stand des unvermeidlichen Comebacks. Vielleicht muss Guttenberg gar nicht zurückkehren, ist er doch selbst ein Wiedergänger. Kürzlich lenkte eine Freundin in der wirklichen und der FB-Welt, zugleich noch FGZ-Autorin (takeawalk) meine Aufmerksamkeit auf DIESES Buch.
Ein Buch des namensgleichen Großvaters von Guttenberg. Großvater Guttenberg gehörte zum personell eher unterbesetzten adeligen Widerstand gegen Hitler. Er war mit dem 17. Juni versippt ohne sein Schicksal zu teilen. Im Spiegelarchiv findet sich laut Amazon-Rezensent Uwe Jens Has folgende Anekdote zu ihm:”Onkel Stauffenberg war der Vetter des Manns der Schwester meines Vaters’. Im Krieg möchte ihn ein Offiziers’Kamerad’ provozieren und rühmt sich mit Schandtaten an Juden. Welche das waren, kann man sich vorstellen.
Guttenberg antwortet darauf: ‘Ich hätte an Ihrer Stelle lieber auf die SS als auf die Juden geschossen’. Für so einen Ausspruch gab es zu der Zeit eigentlich schärfste Strafen.
Guttenberg entging diesem Schicksal , weil der leitende Offizier der die Sache
zu regeln hatte , dem Widerstand zuzurechen war. Ohne Arrest ging es aber nicht ab. “ Der Großvater des Guttenberg, der nach Eigendefinition über Fußnoten stolperte, hinterließ dem Namensgleichen seinen Titel und 1971 ein Buch mit dem Titel: “Fußnoten”. Das Oberhaupt der Surrealisten, Andre Breton, bezeichnete solche Phänomene in l ´amour fou als objektiven Zufall: als der Moment, an dem das Unbewusste aus dem Inneren des Subjekts in die Welt der Dinge eintritt, und dort Verwirrung stiftet.
Karl Marx sagte: “Hegel bemerkte, dass alle weltgeschichtlichen Ereignisse und PERSONEN sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.” Das war gemünzt auf DEN Napoleon und das Regime des Operettenkaisers, Napoleon, des Dritten, den Neffen des ersten.
Papa Enoch zu Guttenberg (geschätztes Vermögen 2010 nach manager Magazin 400 Millionen Euro) hat tatsächlich bei der Demo am letzten Wochenende in dem Ort, der seinen Namen trägt, gesagt, dass er- übrigens 1946 geboren- seit 1945 keine solche Hetzkampagne mehr erlebt habe, wie die gegen seinen Sohn. Er hat seinen Sohn, der als fauler Doktorand an einer abgekupferten Jura-Dissertation gescheitert ist und trotzdem die Bewunderung und Unterstützung der politischen Machthaber hierzulande wie der zentralen Massenmedien genießt, obszönerweise in einen Zusammenhang gestellt mit der Judenverfolgung und dem Widerstand gegen Hitler, für den sein eigener Vater steht.
In Pseudokölsch würde man da sagen: Enoch is enoch!
Inzwischen sind etwa 100 Strafanzeigen wg. Urheberrechtsverletzungen gegen einen Exverteidigungsminister anhängig, den seine Anhänger gerne als “Helden” bezeichnen, ohne im Geringsten begründen zu können, warum.
Aber er wird nicht zurückkehren, wenn wir das nicht zulassen.
Und wir sollten es nicht zulassen.
Denn: Enoch is enoch!