Dame Petra Roth lädt – und wird gestört
Das Ambiente erscheint sorgsam ausgesucht. Hier hat sich das weltoffene Frankfurter Bürgertum getroffen. Frankfurt hat wohl zwei Orte, an denen die „Wohlhabenheit“ dieser städtischen Eliten sich gerne gezeigt hatten: die Alte Oper und eben diese Aula der Universität. Adrette Hostessen fragen, ob sie behilflich sein können. Die Ordnungsmacht ist ausreichend und doch unaufdringlich präsent, leider kein kaltes Büffet oder wenigstens ein Gläschen Schampus.
Es soll um einen „Kulturcampus“ gehen, die Einschränkung ist sorgfältig gewählt, ebenso die anvisierte „Öffentlichkeit“. Der Rahmen ist vorgegeben, dem Status der verschiedenen gesellschaftlichen Stände entspricht die Choreographie. Das plebejische der Talkshows gilt es zu vermeiden, deshalb der Eskort-Service. Ein bisschen Buntes ist gewünscht, so bildet sich Leben ab, das als weicher Standortfaktor nicht mehr zu übersehen ist.
Die Verweigerung des „Mit-Wirkens“
Auf dem Podium: neben der unvermeidlichen Roth zwei Hochschul-Präsidenten, drei Stadträte für Planung und Kultur, ein Chef der städtischen ABG Holding und ein Stadtplaner. Nicht auf dem Podium wie schon beim letzten grünschwarzen “Bürgerforum” zu der Frage des Kulturcampus : Vertreter der Bürgerinitiativen Zukunft Bockenheim und Ratschlag Campus Bockenheim , die das Konzept des Kulturcampus seit Jahren entwickelt haben – gegen den langandauernden Widerstand der Stadt. Sie sollten sich ebenso wie die Leute aus dem Netzwerk Wem gehört die Stadt und alle anderen Bürger auf diesem “Bürgerforum” mit den Zuschauerplätzen begnügen und andächtig dem versammelten Sachverstand auf dem Podium lauschen.
Angesichts des feudalen Arrangements, einer Art gehobener Talk-Show, so Gruppenbild mit Dame, der Arroganz der auf dem Podium versammelten Silberlöckchen, angesichts dieser konzentrierten Verarschung, die in persona Planungsdezernent ihren intellektuellen Tiefpunkt ständig weiter nach unten schob, blieb die demonstrativ gezeigte Begeisterung der Zuhörer, die sich bei jedem neuen Plastikwort aufs Neue entzündete als Verteidigungsmittel. “Partizipations-Bingo” heißt das Spiel, für das die vom Diskurs auf dem Podium Ausgeschlossenen Zettel mit 25 Stichwörtern im Publikum verteilen. Bei jeder Erwähnung von “Frankfurt”, “Stadtplanung” “Campus” auf dem Podium , wird geklatscht und gejohlt.
Die Hilflosigkeit der Elite
In dieser Situation – helle Freude auf der einen, helle Aufregung auf der anderen – reduzierte sich die Auseinandersetzung notwendigerweise auf den Kampf um das Ausharrungsvermögen, wer steht zuerst auf. Mit der konsequenten Verweigerung konfrontiert, belegten die Herrschaften, dass die gewählte Form sehr wohl den Inhalten entspricht und sie demgemäß festgelegt sind. Die Redundanz ihrer Versuche drückt aus, wie unbedingt sie darauf aus waren, ihre Voraussetzungen, ihren Rahmen durchzusetzen, damit sie ihr Programm durchspulen und hinterher auf die rege Beteiligung verweisen könnten. Ich erspare mir hier, auf die traurigen Gestalten im Einzelnen einzugehen . Nur so viel, weil es einen ungewollt zynischen Höhepunkt der substanzarmen Einlassungen darstellte:
In seiner Not, einen Sozialbezug herzustellen, verstieg sich der Leiter der Musikhochschule dazu, darauf hinzuweisen, dass seine Studierenden bei einer Armenspeisung aufgespielt haben. Das löste Stürme der Begeisterung aus: Forellenquintett zu Fischstäbchen, fehlt noch „Nessun dorma“ bei der Schlafplatzsuche.
Dieser Art Veranstaltung muss überall, wo sie auch angekündigt ist, der Boden entzogen werden und zwar wie gezeigt, mittels aktiver Nicht-Beteiligung. Die logische Fortsetzung ist die Durchsetzung gleichberechtigter Teilnahme an den Planungswerkstätten, in denen natürlich das Verhältnis „öffentlicher Dienst“, in diesem Falle vor allem ABG Holding und Öffentlichkeit neu definiert werden muss. Hierhin gehört , allen Experten klar zu machen, dass nicht sie bestimmen – ausser in ihrer Gestalt als Mitbürger – wo es lang geht, sondern sie die Übersetzung der ausgearbeiteten Wünsche in Formen zu leisten haben.
Das war lediglich eine erste Runde.
Die Wiedereinsetzung der Feudalherrschaft
All diese Silberlöckchen auf dem Podium gehören in die gleiche Sippschaft oder zu dem grossen Chor, der sich unter dem Motto versammelt: „wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’.“ Aufgeschreckt durch den Wechsel in Baden-Württemberg, wird hier Bürgergesellschaft gespielt. Dabei wird – nebenbei: ohne jegliche Unsicherheit – darüber geredet, wie noch jede öffentliche Kontrollinstanz in einem sogenannten offenen Verfahren umgangen werden soll. Hierbei gibt es viele Mitspieler, doch nur einen Regisseur. Verträge sind längst abgeschlossen und die Tatsche, dass die ABG Holding die Bebauung übernimmt, ist mit dem New Public Management Verständnis genauso gegenstandslos wie jede andere „Development-Firma“. Es gilt darum, nicht nur weiter derartige Veranstaltung mit Begeisterung zu adeln, sondern auch die Planungs-Werkstätten so umzufunktionieren, dass sie den eigenen Bedürfnissen und ihrer Natur als „Öffentlicher Dienst“ endlich mal gerecht werden.