Grüne Seichtgebiete
Nach dem kommunalen Triumpf der Frankfurter Grünen im Frühjahr dieses Jahres nimmt die Ernüchterung rund um die Partei zu: nicht allen schmeckt der dauerhafte grün-konservative Dreh in Frankfurt. Die zunehmend gestörte Befindlichkeit rund um die grünen Wahlhochburgen lässt sich nicht nur an der Verfassung des regionalen Grünenversammlung am Wochenende ablesen.
Wie berichtet erschienen dort nur wenige Frankfurter Parteimitglieder und die Wahl des neuen Grünen-Sprechers Omid Nouripour, eines hauptsächlich in Berlin tätigen Bundestagsabgeordneten geriet fast zum Fiasko: nur 44 der über 900 Frankfurter Mitglieder wollten für ihn stimmen. Zu der Kreisversammlung bewegten sich gar noch weniger als die bei den Grünen inzwischen versammelten 100 Mandatsträger. Das zeigt, wie meilenweit die Partei inzwischen von ihrer Bewegungsherkunft entfernt ist.
Seit dem großen Wahlerfolg bei der Kommunalwahl im Frühjahr geht es bundesweit wie in der Stadt mit den Grünen bergab: auf Dauer kann der Aufwind durch den GAU im weiten Japan doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grünen eine klassische Partei sind, die mit dem herrschenden sozialpolitischen und wirtschaftlichen Zeitgeist mitläuft. Besonders in Frankfurt versteckt sich hinter dem grünen Mäntelchen, netten Wahlplakaten und den erneuerten Fahrbahnlinien für Fahrradverkehr eine klassische Römerpartei, die einigermaßen wiederstandsarm bei allen wesentlichen Projekten im Einklang mit der großen schwarzen Schwester marschiert.
Das breite grüne Seichtgebiet legte sich schon mit der Privatisierungsfreude des ehemaligen Kämmerers König an, einer Orientierung, die bis heute im Unterschied zu vielen anderen Kommunen am Main immer noch ungebrochen ist. Mit anderen Worten: was nach dem neoliberalen Enthusiasmus von Rot-Grün in Berlin in der Opposition jetzt etwas anders verkauft wird, betreiben die Ultra-Realos in Frankfurt als Schwarz-Grün problemlos weiter.
Immer greifbarer wird vielen grünsympathisierenden Frankfurtern das bloße Funktionieren ihrer Partei im Sinne von ökonomischen Zwängen weit ab vom Bürger. So kommt bei den rapide steigenden Mietpreisen in der Stadt keine Gegenbewegung aus dem Römer, der städtische Wohnungsgigant ABG wird stolzer Immobilienkonzern, intensiv beschäftigt mit gewinnsteigernder Vermarktung von Luxuseigentumswohnungen. Das mag manche Besucher auf dem Jahresfest der Grünen in der Rotlinstrasse nicht kümmern, die in eben dieser eine der Edelwohnungen besitzen, die preislich ganz jenseits vom Normaleinkommen veranlagt sind. Bei den meisten anderen Frankfurtern sieht das völlig anders aus.
Beim gegenwärtig sich zuspitzenden Streit um den Flughafenbetrieb mit Nachtflugverbot zeigt sich das Bild noch deutlicher: die Grünenversammlung am Wochenende war tatsächlich erleichtert darüber, dass keine Flughafendemonstranten bei ihnen auftauchten. Welch eine kaum glaubliche Verkehrung bei einer Partei, deren Gründung in Frankfurt erheblich aus dem Kampf gegen die Startbahn West entspringt. Dass es mit der Identität der Grünen jedoch nicht mehr weit her ist, zeigt sich am veröffentlichten Mailverkehr zwischen einem Sprecher der Bürgerinitiative gegen Fluglärm in Frankfurt (Eberhard Centner) und Olaf Cunitz, dem Fraktionschef der Grünen im Römer.
Mit einem echten Chef-Duktus speiste der Römer-Grüne den Fragesteller damit ab, dass sich die grüne Identität doch schließlich im Wahlergebnis nach Fukujima zeige, mehr müsse man nicht dazu sagen. Auf ähnliche Weise protzten SPD-Bonzen vor Jahrzehnten gegen Flughafengegner mit ihrem Wahlergebnis, das jeden Widerstand als Werk von Spinnern aufzeige. Im damaligen Stil kam noch dazu: “denen müsse man es mit der Dachlatte zeigen” (SPD-Ministerpräsident Börner 1982). Doch das werden die Grünen vielleicht doch nicht androhen, da ist Personal wie Wählerschaft zu vorsichtig. Wegen dem Wahlergebnis.