Blockupy im Oktober – eher leise
Diesmal brachten die Frankfurter Meinungsmaschinen zwischen Rundschau und Allgemeine keine mediale Mobilmachung gehen drohende Gewaltaufmärsche und nahen Bürgerkrieg. Diesmal geht der Druck versteckter vonstatten, mit teuren Bußgeldbescheiden gegen Hunderte, deren Vergehen im Mai bloß darin bestand, auf öffentlichen Strassen in Frankfurt zu stehen.
Letzten Samstag Mittag drückte sich das Blockupy Zelt auf dem Roßmarkt an die versteinerte deutsche Öffentlichkeit vor Ort, als wollte es sich am großen Gutenberg-Denkmal vor der drohenden, geschäftig wuselnden Welt der City schützen. Denn die denkt eher in Umsatz.
Die 300, vielleicht 400 Aktivisten waren auch ein verlassenes Häuflein unter den global vernetzten Türmen der Finanzwirtschaft, einem nahen Ziel ihrer Kritik. Um sie herum brandete eine shoppende Bevölkerung, mindestens nach Zehntausenden zählend, produktbepackt diejenigen unter ihnen, deren Kreditkarten viel Geld spucken können. Allein in den Cafes rund um die Zeil hockten mindestens zehnmal so viele wie bei Blockupy saßen, dort wo sich die ZuhörerInnen im Zelt der Marktbegeisterung um sie herum zu widersetzen versuchten. Genau diese Eingeborenen vom Stamm des Shoppings, der Events und des Public Viewings beherrschen nämlich die Öffentlichkeit unserer Städte, und gegen soviel schnelles, geldwertes Glück hat es Einspruch schwer.
„Blockupy 2013“ soll dieses harte Gehäuse der Gläubigkeit in Deutschland etwas ankratzen, vielleicht ein bißchen aufbohren. Das Podium der Aktivisten drinnen war gemischt, halb deutsch, halb südeuropäisch. Fast genau dieser Linie und dem gesellschaftspolitischen Klima draussen folgten Bewertungen und Perspektiven der Beiträge. Die deutsche politische Perspektive kam hier eher traurig rüber, fast wie ein Gegenstück zu den euphorischen Wirtschaftsnachrichten, um die sich Merkels Volk angeblich immer wieder versammelt und hoffnungsvoll auf Berliner Statements wartet.
Vom handgreiflichen Blockupy in einer Global City, vom Aufstand Empörter und ihren mitreißenden Zielen war dabei weniger die Rede. Das Podium berichtete von mutigen Anträgen im Bundestag und der Bedeutung einer parteiorganisierten Opposition – besonders an solcher Stelle, denn von dort kommt der Fiskalpakt. Die Sprache kam weiter auf studentische Proteste in Hessen anno 2009, denn wie wir alle wissen sollten: die Bildung driftet ab in ungerechte Gefilde. Und dann das Klinikum in Marburg, in das nach Privatisierung verschärfte Arbeitsbedingungen einziehen, die schließlich unser aller Gesundheit gefährden. Deshalb: Klinikum wieder zurück in Landesbesitz.
Fiskalpakt, Studiengebühr und Gesundheitsprivatisierung, die Berichte von Stimmen dagegen, im Zelt eher vorgetragen im Duktus kritischer Zeitungsartikel der Leitorgane. Einspruch gegen solche Horizontverkürzungen und politische Beschränkungen kam allein vom Vertreter des Frankfurter Netzwerks „Wem gehört die Stadt“. Er mokierte sich mit guten Gründen gegen punktuelle Kampagnen und Staatsvertrauen, denn allein Erwartungen in Wiederverstaatlichung oder parlamentarische Abstimmungen haben einen arg passiven Gestus, mit dem der ganzen Breite der neoliberalen Offensive gewiß nicht begegnet werden kann.
Traurig resümierte der hessische GEW-Vorsitzende die deutsche Stimmungslage, die politische Friedhofsruhe. Die deutschen Gewerkschaften haben ihren gehörigen Anteil daran: Wettbewerb um Pfründe für die eigene Klientel, oft gegen den ganzen Rest.
Zuhörer stellt sich aber die Frage, wozu solche netten Berichte dienen. Möchte sich das linke Milieu über Bildungsungleichheit und Privatisierung unterrichten? Kennt es das nicht zur Genüge? Soll es bei dieser Gelegenheit tatsächlich über grünen Nahverkehr räsonieren? Brauchen wir dafür wirklich “Blockupy”? Ist dieses Milieu nicht selbst die leise Hintergrundmelodie der Friedhofsruhe?
Dem deutschen Kleinmut und der Einfallslosigkeit bei uns kontrastierten sich die Südeuropäer auf dem Podium. Nur drei zentrale Statements machen die Differenzen klar und zeigen strategische Schritte auf, denen wir uns in Deutschland erst noch öffnen müssen.
Der griechische Vertreter von Syriza, blieb als ihr Europasprecher genau nicht beim Fiskalpakt stehen, sondern stellte als Aufgabe für alle in den Raum, nicht Antworten auf Fragen der Gegenseite zu suchen, sondern selbst die wichtigen Fragen zu formulieren und genau darauf Antworten zu geben. Eine ganze Phalanx von Fragen, möchte ich ergänzen, die immer wieder und von immer mehr wiederholt die dümmlichen Fragen der Gegenseite in die Ecke drängen müssen.
Der Spanier schlug als Vertreter von städtischen Bewohnerinitiativen gegen Zwangsräumungen die Brücke von der größeren Rede zu den vielen kleinen Eingriffen. Im Kampf um Lebensweisen und Lokalitäten zum Wohnen helfen sie ganz praktisch, handgreiflich gegen Zwangsräumungen, kämpfen um viele kleine Siege. Solche Siege vor Ort schaffen soziales Vertrauen, bringen die vereinzelten Leute aus ihren Zimmern raus, bauen die Basis für Solidarität – und die ist dringend nötig.
Die italienische Studentenvertreterin spitzte die strategischen Notwendigkeiten schließlich zu. Es gilt die vielen, heterogenen Kämpfe (so es denn welche gibt) zusammenzubringen, echte Arrangements der Kämpfe über lokale Solidaritäten und thematische Zuspitzungen entwickeln. Damit schließt sich der Kreis mit den eigenen Fragen, denn auf sie können solche Arrangements der Kämpfe erste Antworten geben.
Dem scheint mir im Moment wenig hinzuzufügen. Möge sich Blockupy daran erinnern.