»Deshalb kandidiere ich für ÖkoLinX-Antirassistische Liste und trete aus der Linkspartei aus«
Hinter dem Horizont des starken Auftriebs von Rechtsaussen in Europa verstärken sich die Spannungen auf der Linken, etwa zwischen bekannten Schemata von Sozialdemokratisierung versus Antifaschismus. So auch in Frankfurt kurz vor der Kommunalwahl. Das geschieht nicht zuletzt auf dem Fundament einer Sozialdemokratie, die radikal Neoliberalismus und Sozialabbau antreibt, und deren Niedergang in den meisten Ländern Normalzustand wurde.
Wir dokumentieren ein Interview mit Annette Ludwig, (neue) Kandidatin von ÖkoLinX-Antirassistische Liste für den Römer (Stadtparlament, Listenplatz 5) und für den Ortsbeirat 4 (Bornheim, Ostend, Listenplatz 6)
Das Interview führte Jutta Ditfurth.

Annette Ludwig
Jutta Ditfurth: Am 6. März 2016 sind Kommunalwahlen in Frankfurt/Main. Noch im Sommer war ich sicher, dass Du auf einem vorderen Platz auf der Kandidat*innenliste der Linkspartei für den Römer stehen würdest. Du warst Wahlkampfmanagerin der Linkspartei und Kreisvorsitzende. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Linkspartei den Fehler macht, auf Dich zu verzichten, vor allem wegen Deiner intensiven No Fragida-Aktivitäten, Deiner Arbeit gegen Pegida und für die Geflüchteten und für Welcome-Frankfurt. Was ist passiert?
Annette Ludwig: Ja, das dachte ich auch, aber dann kam alles anders. Einige Wochen vor dem Listenparteitag, auf dem die Kandidat*innen eigentlich erst gewählt werden sollten, sagte mir der Kreisvorsitzende der Linkspartei, dass die Liste feststeht und dass ich erst ab dem aussichtslosen Platz 13 kandidieren dürfe. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ditfurth: Wir kennen uns ja schon viele Jahre. Aber näher kennengelernt haben wir uns in der Auseinandersetzung mit Occupy und bei den Aktionen im Frühjahr 2014 gegen die sogenannten Montagsmahnwachen. Wir haben zusammen mit anderen über deren Antisemitismus und ihre nationalen, völkischen Positionen aufgeklärt. Außer Dir war damals praktisch niemand von der Linkspartei zu sehen. Einerseits hat die Linkspartei die Bedeutung dieser neuen völkischen Querfront nicht begriffen.
Andererseits sind einige prominente Linkspartei-Funktionär*innen dieser neuen Querfront aber sehr schnell ideologisch und organisatorisch zur Seite gesprungen, darunter der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, der aus Frankfurt kommt, Wolfgang Gehrcke, der über die hessische Landesliste der Linkspartei in den Bundestag gezogen ist und schließlich Sahra Wagenknecht, die z.B. Ende 2014 das zentrale Querfront-Projekt »Friedenswinter« mit allen Mitteln förderte.
Ludwig: Diese Entwicklung ist schlimm genug. Aber ich beobachte seit Jahren den Weg der Linkspartei hin zu einer stinknormalen und opportunistischen bürgerlichen Partei. Auch die Frankfurter Stadtverordnetenfraktion hat sich mehr und mehr von ihrer früheren linken, gesellschaftskritischen Position entfernt. Die wohnungspolitischen Positionen werden immer schwammiger, die sozialpolitischen wässriger. Aber auch das Programm des Kreisverbandes hat sich geändert.
Es gab zum Beispiel früher die Forderung im Wahlprogramm für ein »Sanktionsmoratorium Hartz IV«. Ein Gremium sollte alle Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger*innen prüfen. Aber sogar diese relativ bescheidene Forderung störte und wurde fallen gelassen. Oder ein anderes Beispiel: Im alten Programm stand die Forderung für ein Verbot von Privatschulen. Auch diese Forderung ist verschwunden. Die Partei unterwarf sich der Fraktion. Immer mehr gute, aktive Leute gaben auf. Dafür lobt die alte und neue Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Römer, Dominike Pauli, in den sozialen Medien fortwährend die CDU-Sozialdezernentin Birkenfeld. Überhaupt teilt Pauli in den sozialen Medien gern mit, wie wohl sie sich im Römer fühlt. Sie hat keinerlei gesellschaftskritische oder kulturelle Distanz. Ich hätte gern einen linksoppositionellen Kurs vertreten, aber offensichtlich ist das vorbei.
Einer der wichtigsten Punkte für mich im alten Wahlprogramm war »Rassismus und Antisemitismus entschieden bekämpfen« samt ihren modernen Wegbereitern und den anti-islamischen Rassist*innen und rechts-populistischen Brunnenvergifter*innen keinen Boden in Frankfurt zu überlassen. Dafür forderte die Linkspartei-Basis im Programm von 2011 z.B. eine Koordinierungsstelle gegen Rassismus bei der Stadt Frankfurt. Die Aufgaben waren genau beschrieben: Aufklärung in Schulen, Vereinen und gesellschaftlichen Einrichtungen; Förderung von Initiativen ÖkoLinXAntirassistische Liste gegen Rassismus und Antisemitismus; Erarbeitung eines Gesamtkonzepts. In Frankfurt wuchs in den letzten Jahren die Zahl der antisemitischen und rassistischen Ereignisse. Und was machte die Fraktion aus dem Wahlprogramm? Auch in dieser Frage nichts.